Unser Team
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Friedberg Braves: Bescheidenheit
an der Basis
22.04.2023
Bescheidenheit an der Basis
Die deutschen Meister spielten auf der Seewiese. Einmal war der Baseball-Klub aus der Kreisstadt für die Bundesliga-Playoffs qualifiziert. Das ist lange her. Heute spielen die Braves in der Landesliga. Am Sonntag geht die Saison los.
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Franzisco Lucio Tippmann hat die Erinnerungen aus mehr als drei Jahrzehnten aufbewahrt. In zahllosen Kisten und Alben. Saisonhefte, Zeitungsartikel, Fotos von Spielen, als oft 400 Zuschauer und manchmal auch mehr eine neue bis dato exotische Sportart für sich entdeckt haben. Bei ihm zu Hause in Schwalheim schlägt noch immer das Herz der Braves. Tippmann gilt als ein Mann der ersten Stunde, auch wenn er nicht zu den Gründungsmitgliedern zählt. 1988 stieß er dazu und ist - mit Ausnahme einer dreijährigen Unterbrechung - bis heute dabei. Mehr als ein Jahrzehnt war er Vorsitzender, mittlerweile schaut er vorwiegend auf die Finanzen. »Es war eine sehr, sehr schöne Zeit, und viele Kontakte bestehen noch heute«, sagt er und spricht von »Herzblut«, das ihn noch immer antreibe.
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Blütezeit in den 1990er Jahren
Die Blütezeit des US-amerikanischen Volkssports in Friedberg lag in den 1990ern. Sie ist lange vorbei. Groß war damals die Neugier am komplexen Zusammenspiel zwischen Laufen, Schlagen und Werfen, zwischen Strategie und einem kaum zu vermittelnden Regelwerk. Ebenso groß war auch die Identifikation mit der Mannschaft, deren Stamm sich aus Schülern des kreisstädtischen Burggymnasiums zusammengesetzt hatte. Dazu kam eine Handvoll in Friedberg lebender US-Amerikaner, die mit dem Sport groß geworden waren und natürlich das Zeug zu Zuschauermagneten hatten. 1992 wurde der Zweitliga-Aufstieg gefeiert, vier Jahre später führte der Weg in die Bundesliga. Der Einzug in die Playoffs bedeutete 1999 den größten Erfolg der Klubgeschichte.
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Schleichender Niedergang
Zwei Jahre später begann der schleichende Niedergang. Der Verband hatte im Streben nach Professionalität einen Erst- und Zweitliga-Spielbetrieb auf der großen, grünen Wiese im innerstädtischen Naherholungsgebiet nicht mehr genehmigt. Bauliche Veränderungen an der Seewiese wurden seitens der Stadt ausgeschlossen, ein Neubau war finanziell nicht zu realisieren, und auch die Nutzung des Baseballplatzes innerhalb der Kaserne scheiterte. Die Beharrlichkeit, mit der Überzeugungsarbeit zu leisten versucht wurde, blieb unbelohnt.
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»Wir wurden immer wieder hingehalten. Rückblickend bin ich persönlich sehr enttäuscht. Egal, wie viel Zeit und Aufwand reingesteckt wurde. Wir sind auf der Stelle getreten. Da stellt sich natürlich irgendwann eine gewisse Resignation ein. Die Basis war gelegt. Es tut weh, wenn ich mir vorstelle, wo wir heute hätten stehen können«, sagt Tippmann.
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Im Nachwuchs zählten die Braves in dieser Zeit zu den Aushängeschildern - bundesweit. Den Hochburgen Regensburg, Mainz und Mannheim konnten die Kreisstädter auf Augenhöhe begegnen. Dreimal erreichten die Braves bei deutschen Nachwuchsmeisterschaften den zweiten Platz. In den Jahren 2003 und 2004 spielte Friedberg noch einmal mit einer Ausnahmegenehmigung zweitklassig, zehrte von der Jugendarbeit, die Paul Walters geprägt hatte. Die jungen Talente zog es schließlich ins benachbarte Bad Homburg, wo Baseball in dieser Zeit einen Aufschwung erlebte, Pläne für eine eigene Anlage realisiert worden waren.
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In Friedberg scheint die Zeit dagegen stehen geblieben. Damals wie heute treffen sich die Spieler zweieinhalb Stunden vor Spielbeginn, um ihre Utensilien zunächst aus den beengten Lagerräumen einmal quer über die Seewiese zu schleppen, um anschließend das Spielfeld präparieren und Fangnetze aufstellen zu können.
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Und am Ende, wenn die Gastmannschaft längst abgereist ist, werden die verschlagenen teuren Bälle (mit mehr als 100 Euro Verlust pro Spiel ist hier zu rechnen) in den Büschen gesucht, um diese zumindest für Trainingszwecke verwenden zu können. Sehr viel Idealismus gehört dazu.
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Jung, engagiert und wissbegierig
2008 hatten die Braves nicht mal mehr eine einzige Jugendmannschaft stellen können, zwei Jahre später spielte zwar der Nachwuchs wieder, doch mussten die Herren mangels Masse aus dem Spielbetrieb abgemeldet werden. Ein Tiefpunkt. Seit 2015 nun spielen die Herren wieder; aktuell mit fünf weiteren Mannschaften in der Landesliga. »Die Corona-Pandemie hat uns personell richtig weh getan«, sagt Tippmann. »Den einen oder anderen Spieler hat man danach nicht mehr gesehen.«
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Jonas Meurer, jung, engagiert und wissbegierig, coacht die Herren-Mannschaft, die in dieser Spielklasse dem Nachwuchs den Übergang in den Senioren-Bereich erleichtert. Im Junioren-, Jugend- und Schüler-Bereich werden die Braves in diesem Sommer lediglich Freundschaftsspiele bestreiten können. Freude bereitet die Entwicklung bei den Jüngsten, in der U8. Allein hier sind 18 Kinder regelmäßig dabei. »Es macht Spaß, das zu sehen. Mit Benjamin Warganz haben wir zudem einen Mann, der viel Zeit in die Nachwuchsarbeit investiert«, sagt Tippmann.
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Jamie Harrison als Urgestein aktiv
In den glorreichen 1990ern wie auch heute dabei: Jamie Harrison. 60 Jahre wird der US-Amerikaner in diesem Jahr, speziell in der Offensive macht ihm aber keiner etwas vor. Neben Harrison bringt auch Sascha Soltysiak reichliche Erfahrung mit. Dahinter hat Jonas Meurer eine Reihe junger Spieler zusammen, die vor einigen Jahren über Sommerferien- und Schulprojekte zu den Braves stießen und dem Nachwuchs entwachsen sind. »Wenn wir in fünf Jahren wieder in der Verbandsliga spielen, wäre das schön. Momentan sind die Jungs aber noch nicht so weit«, weiß Tippmann. Auf der elementaren Pitcher-Position sind die Braves zu sehr von Michael De Molder abhängig. Eine Vergleichsmöglichkeit wird der Hessenpokal. Im Erstrundenspiel ist am 30. April Herkules Kassel zu Gast, ein Klub aus der Verbandsliga.
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Die Mitgliederzahl (einst 230) liegt bei etwa 70. Die Talsohle ist aber durchschritten. Dennoch: Der Baseball-Boom - zumindest an der Basis - ist vorbei. »Die Schere zwischen den beiden Bundesligen und den Landesverbänden klafft immer weiter auseinander. Baseball stagniert«, sagt Tippmann, der mehr als zweieinhalb Jahrzehnte auch ehrenamtlich in die Verbandsarbeit eingebunden war. In Regensburg oder Paderborn stehen inzwischen Baseball-Internate, die Zahl der Vereinsgründungen ist hingegen verschwindend gering.
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In Hessen sind gerade einmal zwölf Herren-Mannschaften für zwei Spielklassen gemeldet; der Aufstieg von der Verbands- in die 2. Bundesliga ist in allen Bereichen Utopie. International zählt Deutschland zu den Top-Nationen in Europa, weltweit wird die Nationalmannschaft auf Rang 19 geführt. »Baseball war über viele Jahre im Fernsehen nicht präsent und nicht in den Köpfen«, sagt Tippmann und blättert im Fotoalbum mit den vielen Erinnerungen an vergangene Zeiten.
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